Forschungsstelle Lehrerberufseignung

Lehrer mit Schülern

Die seit 2010 eingerichtete Forschungsstelle Lehrerberufseignung am KIT sucht mit ihrem Leiter Prof. Dr. Dr. Johann J. Beichel und seinen Doktoranden und Mitarbeitern nach Optimierungswegen und Bündelungen, um riskante Gewohnheiten in Lehrerbildung und Lehramtsprüfungen kritisch zu hinterfragen, Zufälligkeiten zu reduzieren und Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem akademischen Bereich der Lehrerbildung, der Schulaufsicht und der Bildungspolitik zu überwinden.

Es zeigt sich nämlich, dass die Studienberatung, die fach- und bildungswissenschaftliche Seite der Universitäten und Hochschulen, die Zweite Lehrerbildungsphase in den Staatlichen Seminaren, die Prüfungsbehörde, die Lehrereinstellungsreferate in der Kultusverwaltung und die Zuständigen für die Lehrerfortbildung weitgehend lose Kontakte zu organisatorischen Fragen unterhalten, aber keinen hinreichenden Austausch hinsichtlich personaler Lehrerqualitäten pflegen, über die man sich in der gemeinsamen Verantwortung für Schülergenerationen und Lehrer eigentlich zu verständigen hätte. 

 

Ziele der Karlsruher Grundlagenforschung zur Personalevaluation in Lehramtsstudium und Lehramt sind auch Verständigungs- und Reformimpulse bezüglich erhöhter Qualität, gesteigerter Effizienz und gesicherter Validität in den Lehrerbildungsphasen und Lehramtsprüfungen. Für die Praxisnähe der Forschung ist von Vorteil, dass der wissenschaftliche Leiter, Ltd. Regierungsschuldirektor Prof. Dr. Johann Beichel, auch Leiter des Landeslehrerprüfungsamtes beim Regierungspräsidium in Karlsruhe ist.  

Was ein guter Lehrer/eine gute Lehrerin ist, lässt sich nicht aus empirischen Studien über erfolgreiche Leh­re deduzieren. Es wird aufgrund normativer Vorentscheidungen ge­setzt. Das „Gute" an der guten Lehrperson muss deshalb bildungs­theoretisch begründet werden." 

(Hilbert Meyer und Volker Wendt 2011)

  • Bildungsphilosophisch und pädagogisch werden Annäherungen an konsensfähige Lehrerleitbilder angestrebt, die ihrerseits auf intersubjektive, aber transparente Kriterien gründen für die unvermeidbar erfolgende Beurteilung und Selektion der Lehramtsstudenten und Referendare.
  • Evaluationstheoretisch, prüfungspraktisch und juristisch werden Wege systematischer Abstimmung gesucht, damit die relevanten Aspekte der Prüfungsvalidität und Justitiabilität aller Beurteilungsverfahren künftig konsensueller und zielorientierter als bisher verlaufen.
  • Der Erkenntnis von Jürgen Oelkers folgend, dass man sich konsequent in das Berufsfeld der Pädagogen begeben müsse, wenn man etwas über deren professionelle Handlungskompetenz wissen wolle, werden Prüfungsmodelle unter Realbedingung Schule unter dem Aspekt der beruflichen Eignung und der Passung hinsichtlich des vereinbarten Schul- und Erziehungsleitbildes vor Ort angestrebt, entworfen und erprobt.

 

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die künftige Forschungsarbeit vermehrt auf schulspezifische Eignungsaspekte der Lehrpersonen konzentrieren muss in Abkehr zur bisherigen Definition und Beurteilung einer allgemeinen Berufseignung in den Staatsprüfungen. Denn in dem Maße, wie eine moderne Schulentwicklung eigene und zunehmend differente Schulprofile generiert, ja auch hervorbringen soll, unterscheiden sich Erwartungen und Anforderungen an das Lehrpersonal, die unterrichtlich wie erzieherisch immer spezifischer werden.

Die Folge davon ist, dass wir den Eignungs- und Bewährungsaspekten zu den konkreten Berufsanforderungen im realen Handlungsfeld Schule mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, als dem bisher vorrangigen Blick auf Fachwissenschaft, künstlerische Exzellenz und Berufswissen, auf didaktische und methodische Kompetenz. Dafür benötigen wir aber andere, modernere und validere Evaluationsmethoden und Prüfungsmodelle, die es in der Karlsruher Forschungsstelle zu suchen, zu finden, zu begründen und zu kommunizieren gilt. Denn es bedarf geeigneter Bewerber für den parallel zur fachlichen Kompetenz auch Beziehungs- und Kommunikationsberuf Lehrer.

Der Berufseinstieg nach dem Abitur muss hinsichtlich der Schulart- und Fächerwahl mit einer mehrperspektivisch kompetenten Berufsberatung begleitet werden. Unverzichtbar ist aber auch eine verantwortliche und begründete Auswahl der Geeigneten, die den Erwartungen und spezifischen Anforderungen im Lehrerberuf hinsichtlich erfolgreichen Unterrichts und nachhaltiger Erziehung zu entsprechen in der Lage sind, einschließlich positiver Perspektiven für deren eigene Berufszufriedenheit und Gesundheit.

Denn die Entscheidungsphase der Abiturienten für ein Lehramtsstudium, die Erste Lehrerbildungsphase an den Universitäten und Hochschulen, nachfolgend die zweite Phase in den Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung, beide Staatliche Lehramtsprüfungen und schließlich die Lehrereinstellung und Lehrerfortbildung sind allesamt existenzbegründende, im Einzelfall aber auch existenzvernichtende Weichenstellungen zum Lehrerberuf.

Diese konsekutiven, aber bisher voneinander unabhängigen Entscheidungsphasen sind aus kulturalistischer Perspektive differente Praxen einer komplexen Lebenswelt mit je eigener Dignität und Dynamik. Sie führen Chancen und Risiken mit sich, teilweise gesichert und begründet, teilweise aber auch zufällig und unkalkulierbar in ihren Resultaten und Konsequenzen für die Lehrpersonen selbst und damit auch für künftige Schülergenerationen.

 

Alle diese Mosaiksteine auf dem Weg zur erfolgreich erziehend unterrichtenden Lehrperson müssen unter der Dachverantwortung der Bildungspolitik einem erkennbaren und kommunizierbaren Lehrerleitbild folgen. Die Karlsruher Forscher verstehen darunter eine mit allen Beteiligten geführte intersubjektive Verständigung darüber, was gemeinsam und aus einsichtigen Gründen an Berufswissen, Handlungskompetenz, Einstellungen und Werthaltung lehrerseits für nachfolgende Schülergenerationen und deren Bildung als bedeutsam und erstrebenswert erachtet wird.                                                            

Johann J. Beichel, 15.05.2011